28 März 2023

Maunz (Flashficiton)

Image by Nikolay Georgiev from Pixabay
 

Sie wollte nur schnell zur Toilette, ehe die Vorlesung begann. Als sie zurückkehrte, ereignete sich jedoch Unglaubliches. Sie ging den Gang entlang, der hinter der Garderobe zum Hörsaal führte, bog um die Ecke und sah den Professor auf den Hörsaal zugehen. Ein kleiner Mann in den Fünfzigern, schütteres, graues Haar. Gekleidet mit demselben alten Anzug, in welchem man ihn immer antraf. Sie beeilte sich, zu den Anderen zu gelangen, um einen guten Platz zu erhalten, doch als sie die Türen des Hörsaals sah, war der Professor verschwunden. Der Gruppe Studenten, die auf Zugang in den Hörsaal warteten, schien dies nicht aufgefallen zu sein. Vier Männer näherten sich, alle bewaffnet mit futuristischen Pistolen. Sie war noch zu weit weg, um zu verstehen, was die Männer sagten, doch sie sah an den Gesichtern der Studenten, dass sie nicht freundlich gesonnen waren. Ihre Freundin winkte ihr zu und versuchte, sie wild gestikulierend dazu zu bringen, sich zu verstecken.


Die junge Frau, die die Szene wie versteinert beobachtet hatte, rührte sich nicht. Die Gesten ihrer Freundin machten die Männer erst auf sie aufmerksam. Einer der Vier gab seinen Kameraden ein Zeichen, dass er sich darum kümmern würde. Er hob demonstrativ die Pistole und ging auf sie zu. Noch immer war sie nicht in der Lage, sich zu bewegen. Ihre Gedanken kreisten um die Suche nach einem Fluchtweg. Was auch immer diese Männer vorhatten, sie würden wohl kaum eine Wahnsinnige bei sich behalten. Vielleicht war Wahnsinn ihre Chance. Noch ehe der Mann sie erreicht hatte, ließ sie sich auf alle Viere fallen, legte den Kopf schief und miaute dem Fremden entgegen. Dieser war für einen Moment verwirrt. Er ließ die Pistole sinken und sah fragend zu seinen Kameraden zurück. Einer von ihnen nickte ungehalten. Der Fremde, der bei der jungen Frau stand, packte diese daraufhin am Arm und zog sie auf die Beine. Danach stieß er sie unsanft zu der Gruppe Studenten. Die Frau miaute noch immer, in der Hoffnung, man würde sie gehen lassen, wenn sie Wahnsinn vortäuschte. Ihre Freundin sah sie unverständlich an, doch sich zu erklären, würde die junge Frau auffliegen lassen. Also schwieg sie.


Die Fremden brachten die Studenten in den Hörsaal. Statt Sitzen mit aufklappbaren Tischen befanden sich jedoch einfache Tische mit Stahlstühlen in dem Raum, angeordnet auf breiten Treppenstufen. Auf jedem der Tische, die sich aufsteigend im Halbkreis um ein Rednerpult und eine Projektortafel gruppierten, befanden sich zwei tragbare Computer. Die Fremden bugsierten die Studenten an die Tische, sodass jeder der jungen Menschen einen Laptop vor sich stehen hatte. Sie nötigten die Studenten dazu, die Computerbildschirme aufzuklappen und an den ausgeschalteten Rechnern zu arbeiten. Die junge Frau stieß mehrfach mit der Nase gegen den Laptop, schlug mit der flachen Hand auf das Gehäuse und gab Geräusche einer unzufriedenen Katze von sich. Sichtlich genervt trat einer der Männer zu ihr hin, öffnete den Rechner und deutete ungehalten auf den Bildschirm. Die junge Frau sah ihn verständnislos an und miaute. Der Fremde hob drohend die Pistole. Sie schlug unkoordiniert mit der Hand auf die Tastatur. Der Fremde wirkte zufrieden.


Nach einer Weile lehnte sie sich auf dem Stuhl zurück und starrte auf den schwarzen Bildschirm des stromlosen Gerätes. Sie fragte sich, warum man die Studenten dazu zwang, sinnlose Dinge an einem ausgeschalteten Computer zu tun. Doch ehe sie zu einer Antwort gelangt war, spürte sie, wie einer der Männer ihr die Pistole in die Rippen presste.


Sie maunzte.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen