23 April 2015

Die hessische Fahrkartenverordnung

Guten Morgen. Oder so ähnlich.

Ich habe am Montag etwas kurioses gelernt: In Hessen dürfen in Zügen keine Fahrkarten verkauft werden. Weder durch Automaten noch durch Personal. Warum weiß kein Mensch. Aber das Rhada wäre nicht das Rhada, wenn es sich darüber keine Gedanken machen würde. Die ösung war denn auch verblüffend einfach. Lest selbst.


An einem sonnigen Dienstagmorgen im Mai trafen sich der hessische Verkehrsminister Brummbrumm, der Bahnchef Tschutschu, der Vorsitzende der Vectus-Gesellschaft Vectu und der Chef der hessischen Landesbahn Helba in einem Café in Wiesbaden. Brummbrumm hatte die drei anderen Männer zu einem inoffiziellen Gespräch bestellt und so saß die Runde nun zwischen Hausfrauengrüppchen und Rentnern, die ihr Frühstück einnahmen. Herr Tschutschu rollte mit den Augen, sein Blick irrte im Raum umher.

»Ich bin nicht gern unter Leuten«, brummte er schließlich und sah Brummbrumm an: »Worum geht es, Herr Minister?«

Brummbrumm hielt ein Glas mit Vanille-Moccha-Latte umklammert, dessen Sahnehaube mit bunten Zuckerstreuseln dekoriert war und schwieg. »Das würde ich auch gerne wissen. Um diese unchristliche Uhrzeit«, gähnte Herr Vectu. Herr Helba schenkte dem Gespräch keine Aufmerksamkeit. Er versuchte stattdessen, die Kellnerin anzugraben. Schließlich stellte Herr Brummbrumm sein Glas ab und antwortete: »Meine Herren, wir sind hier, weil mir unglaubliche Dinge zu Ohren gekommen sind. In den Zügen der Privatbahnen - Herr Helba, hören Sie mir bitte zu!«

Herr Helba drehte den Kopf zu Herrn Brummbrumm, dieser fuhr fort: »In den Zügen der Privatbahnen soll es Fahrkartenautomaten geben.«

»Ungeheuerlich!«, warf Herr Tschutschu ein. Die Herren Vectu und Helba zuckten gemeinschaftlich mit den Schultern. Herr Vectu deutete auf Herrn Helba und sagte: »Das war die Idee der Landesbahn, Herr Minister Brummbrumm. Wir haben nur nachgezogen.«

»Wir dachten«, erklärte Herr Helba: »Wir sichern uns einen Vorsprung in Sachen Kundenfreundlichkeit. Nachdem die Bahn ja Aufschläge auf im Zug verkauften Tickets nimmt.«
»Als ob Ihnen das etwas bringen würde, solange Sie auf unserem Schienennetz unterwegs sind!«, entgegnete Bahnchef Tschutschu. Herr Helba zuckte erneut mit den Schultern. Minister Brummbrumm winkte ab. Er nahm einen Schluck von seinem hippen Latte und fuhr fort: »Jedenfalls sollen die Fahrgäste mit dem Bedienen der Geräte überfordert sein. Sie akzeptieren keine Scheckkarten und nur den kleinsten folgenden Schein.«

»Sicherheit gegen Fälschungen«, erwiderte Herr Vectu knapp. Herr Helba nickte beipflichtend. Brummbrumm schüttelte den Kopf. »Sie müssen etwas daran ändenr, meine Herren. Die Hessen fahren sonst alle noch schwarz.«

»Oder schlimmer: Sie erwarten, in allen Zügen Fahrkarten kaufen zu können!« Das Entsetzen im Gesicht des Bahnchefs war echt.

»Wir brauchen eine bessere Lösung«, sagte Brummbrumm. Die Männer schwiegen eine Weile. Schließlich antwortete Herr Vectu: »Die Hessen könnten sich daran gewöhnen? In anderen Bundesländern ist das auch kein Problem?«

»Der Altersdurchschnitt in Hessen ist dafür zu hoch.« Tschutschu tippte sich nachdenklich mit dem Finger gegen das Kinn: »Eine Fälschungsprüfung in die Automaten einbauen?«

»Viel zu teuer«, knurrte der Vectus-Vorsitzende. Wieder Schweigen. Der Minister hatte derweil seinen Latte ausgetrunken. Er blickte auf die letzten Streusel in seinem Glas und versuchte, sie mit dem Löffel herauszufischen. Dabei sagte er: »Dann ist es beschlossene Sache. In Hessen werden im Zug keine Fahrkarten mehr verkauft, basta. Nicht von Automaten, nicht von Zugpersonal. Karten nur am Schalter und auf den Bahnsteigen.«

»Heißt das etwa, dass wir die Schalter besetzen müssen?«, entgegnete Tschutschu erschrocken. Brummbrumm steckte sich den Löffel mit den Streuseln in den Mund. Er schüttelte den Kopf. »Baf hab if niff gefagt.«

Tschustschu entspannte sich wieder. Herr Vectu sah besorgt in die Runde. »Ich weiß nciht, die Automaten ausbauen ist auch blöde. Ich meine, in Rheinland-Pfalz und NRW klappt das doch ganz gut ...«

»Ich kann Ihnen nicht verbieten, wie sie Ihre Fahrkarten in anderen Bundesländern vertreiben, Herr Vectu. Meinetwegen sperren Sie halt nur hessische Ziele an den Automaten.« Der Minister zuckte mit den Schultern. Herr Vectu und Herr Helba nickten. Beide griffen nach ihren I-Phones, um ihre IT-Mitarbeiter anzurufen. Ab heute würden die Automaten nur noch Ziele außerhalb Hessens bedienen. Und aus diesem Grund kann man überall in den Zügen Fahrkarten kaufen, nur nicht in Hessen.



Liebe Grüße und noch eine schöne Restwoche!