07 März 2023

Eidcafé

 
 Es begann, in Strömen zu regnen. Die beiden Streifenpolizisten gingen eilig dicht an der Häuserfront entlang. Streife in dieser Fußgängerzone war eine Art Strafdienst, zumindest wurde er von den Polizisten als solcher empfunden. Hier war nichts los, es geschah niemals etwas. Strafdienst oder Schikane, um neue Polizisten im Revier zu ärgern. Nur, dass sich diese beiden Polizisten weder etwas hatten zu Schulden kommen lassen, noch waren sie neu im Revier. Sie waren einfach nur hier, an einem Spätsommerabend, gegen neun Uhr, in strömendem Regen. In einer langweiligen, nassen, dunklen Fußgängerzone. Allein. Es waren schon seid einiger Zeit keine Passanten mehr hier. Die Geschäfte hatten zu und das Wetter eignete sich nicht, in Straßencafés, Biergärten und dergleichen zu sitzen. Immer wieder gab es unvermittelte Schauer, der Wetterbericht hatte auch von Gewittern gesprochen. Der größere der Polizisten, ein junger Mann mit dunkelblonden Locken, blieb vor einem Schaufenster mit Elektrogeräten stehen und betrachtete einen Fernseher:


"Das ist das Modell. He, hörst du mir überhaupt zu?"


Sein Kollege mit dem längeren, braunen Haar, war einige Meter weitergegangen, um unter einer Markise eines Eiscafés Schutz vor dem Regen zu suchen. Er grinste seinem Kollegen zu, der mürrisch näher kam.


"Hättest ja wenigstens was sagen können ..."


Trotz des Regens war es noch immer warm. Am Tag zuvor hatten fast vierzig Grad geherrscht und es kühlte kaum ab. Vielleicht war es das Pflaster, dass die Wärme speicherte und nachts wieder abgab. Der kleinere Polizist wischte sich über die Stirn und deutete dann mit dem Daumen auf das Eiscafé.


"Reg dich ab. Ich weiß doch, dass du dir nen neuen Fernseher holen willst. Eis?"


Sein Kollege legte den Kopf schief, betrachtete den Laden und nickte.


"Wieso nicht. Ist sowieso nichts los."
Die beiden jungen Männer betraten das Café und begutachteten die Kühltruhe mit den verschiedenen Eissorten. Es gab alle üblichen Sorten und einige Exoten, darunter auch Pistazien- oder Mandeleis. Eine Verkäuferin trat auf die Polizisten zu.


"Kann ich Ihnen helfen?"


Ihre Stimme klang etwas nervös, offenbar schüchterten sie die Uniformen ein. Der Blonde schüttelte den Kopf.


"Wir schauen noch."


Die Verkäuferin seufzte erleichtert und wandte sich ab.


"Rufen Sie, wenn Sie gewählt haben."
Mit diesen Worten verschwand sie wieder hinter einer Tür, die aus dem Verkaufsraum führte. Der Blonde sah seinen Kollegen an.


"Weißt du, was du willst?"


"Hm", machte dieser und zuckte mit den Schultern. "Das Übliche, glaube ich. Apfel und Schokolade."


"Langweiler", der Blonde lachte und deutete auf das Mandeleis. "Ich werde heute mal etwas Neues probieren. Mandel mit Traube."


Sein Kollege zog misstrauisch die Augenbrauen hoch und schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. Er hob die Hand und schickte sich an, nach der Verkäuferin zu rufen, als sein Blick auf den Blonden fiel. Dieser war gerade dabei, die Klapptür des Tresens zu öffnen und hinter die Truhe zu treten. In diesem Moment kam die Frau aus dem Nebenraum und sah den Polizisten empört an.


"Entschuldigen Sie! Sie können doch nicht einfach ..."


"Doch doch", der Polizist winkte ab: "Wir sind Polizisten, wir dürfen das."


Er nahm sich den Portionierer und grinste seinen Kollegen an.


"Becher oder Waffel?"


Dieser seufzte und deutete auf die Waffeln. Der größere Polizist füllte die Waffeln mit den gewünschten Eissorten, reichte eine über die Glasscheibe und trat mit seiner Waffel wieder nach draußen. Er verließ den Verkaufsraum und wartete unter der Markise. Sein Kollege blieb zurück, zusammen mit der verdutzen Verkäuferin.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen