01 September 2022

Das Für und Wider von "Beat Sheets"

 Hallo an die schreibenden Menschen da draußen!

Es ist der erste September, nur noch acht Wochen bis zum Beginn des diesjährigen NaNoWriMo und ich verzweifele an meiner eigenen Ideensammlung. Nicht, weil ich keine hätte. Nicht, weil ich zu viele hätte. Nein, schlicht, weil eine Idee dabei ist, die sich auch für das Plotten nicht in Form pressen lassen will.

Über mich - das Spektrum

Foto von: Nick Morrison

Zuerst, bevor ich mich richtig beschweren kann, ein paar Worte zu mir und meinem kreativen Prozess. Ich glaube daran, dass mir eine gewisse Grundstruktur hilft, eine Idee zu Ende zu bringen und insbesondere, sie danach auch überarbeiten zu können. Ich habe Bücher drauf los geschrieben und zu Ende gebracht, mehrmals, darunter einige erste Entwürfe mit - für mich - ansehnlichen Wortzahlen. Aber mit Ausnahme meiner ganz frühen Ideen habe ich eigentlich nie ohne wenigstens einige grobe Notizen geschrieben. Vor zwei Jahren bin ich sogar so experimentell geworden, dass ich mir eine Struktur genommen und ihr ohne klare Idee gefolgt bin - selbst das hat es zu einem 50.000-Worte-Draft geschafft.

Ich sitze also irgendwo in der Mitte zwischen Drauflosschreiber und hartgesottenem Plotter und finde das gut so. Jedes Projekt, jede Idee und jede Phase meines Prozesses braucht seine eigene Herangehensweise. Trotzdem - oder vielleicht auch gerade deswegen - bevorzuge ich es, meine Notizen und Ideen in eine Struktur zu stecken. Eine Art Rückgrat, von der aus die Geschichte Form annehmen kann, wenn man so will. Wie kleinschrittig das System ist, ist von meiner Laune und der Idee selbst abhängig.

Ich suche immer noch die perfekte Vorlage für mich, habe aber aus einigen Systemen


etwas zusammengebastelt, das für mich grundlegend funktioniert. Ein flexibles System, das mir die Szenen ausgibt, die ich auch benötige, damit Leser der Geschichte folgen können. Ich bin nämlich sehr faul und neige dazu, zu glauben, andere wüssten schon, was in meinem Kopf vorgeht. Das heißt übrigens nicht, dass ich nicht nutzlose Informationen an der falschen Stelle ausschütten kann. Um das zu managen, hilft mir Struktur.

Drei Probleme ohne Lösung

Aber genug über mich. Die meisten Strukturmodelle über das Schreiben haben drei große Nachteile. Zum einen sind sie für Drehbücher optimiert. Für Filmdrehbücher von einer Länge von 90 bis 120 Minuten, um genau zu sein. Dadurch gehen Nebenhandlungen leicht unter oder man glaubt, sie ganz herausnehmen zu müssen. Systeme wie Blake Snyders "Save the Cat!" auf Bücher anzuwenden, erfordert also etwas Erfahrung und Flexibilität. Das gilt im Übrigen für alle auf "Beats" basierenden Schreibtipps.

Das zweite große Problem ist eng damit verwandt: die Drei-Akte-Struktur. Und dabei ist es gleichgültig, ob sie drei, vier, fünf oder sieben Akte enthält. Diese Struktur geht auf das Theater zurück, den Vorläufer des Films. Auch hier ist die Handlung realtiv geradlinig, der Zuschauer kann nicht mal eben zurückblättern und etwas nachlesen. Film, Theater, Lied und selbst Videospiele sind quasi moderne orale Erzählformen, die den Zuschauer/ Zuhörer/ Spieler vom Vortragenden abhängig machen. Bücher bieten dagegen etwas mehr Freiheit für das eigene Tempo. Das ist gut, macht Strukturen von anderen Medien aber nur bedingt anwendbar.

Das dritte große Problem liegt in einer gewissen Ringförmigkeit, die den meisten Strukturen zueigen ist, vermutlich weil sie sich auf Campbells Monomythos (die "Heldenreise") beziehen, die ihren Ursprung widerrum in (vornehmlich klassisch-westlichen und vorderasiatischen), oral tradierten Mythen hat. Die Sturktur ist so unspezifisch, dass sie eigentlich keine Hilfe darstellt und gleichzeitig so spezifisch, dass selbst Grimms Märchen nicht ohne weiteres mit ihr vereinbar sind. Kernpunkt ist hierbei aber die Rückkehr des veränderten (!) Helden in die unveränderte (!) Herkunftswelt, was sich bei Snyder z.B. in der Spiegelung von Opening und Final Image wiederfindet.

Und was genau ist das Problem?

Grundsätzlich komme ich mit den Strukturen bzw. meinem eigenen Frankenstein-Monster sehr gut zurecht. Jede Geschichte hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende, nicht wahr? Meistens kehrt der Held in irgendeiner Form am Ende nach Hause zurück oder versagt auf dem Weg dorthin, nicht wahr?

Hier kommt Maranaga ins Spiel, dessen Überarbeitung eigentlich ganz oben auf meiner Liste steht. Maranaga passt nicht in die Strukturen. Maranaga funktioniert in sich selbst, aber die Handlung ist zu komplex, als dass ich in der Lage wäre, die "Beats" ausfindig zu machen, sie in klare Akte zu stecken und dabei eine konsistent steigende Handlung zu spinnen. Die Natur der Geschichte würde ein Aufbrechen in drei Teile erlauben, die aber ungleich groß wären und jeder einzelne Teil würde - sehr grob - seinen eigenen drei Akten folgen. Die Teile sind aber gleichzeitig nicht voneinander trennbar, dazu kommt eine recht episodische Mitte und ein eher unklares Thema. Nicht, dass ein einzelnes klares Thema für eine Fantasy-Abenteuergeschichte zwingend der Kernpunkt ist - aber für die meisten Strukturen ist es wichtig. Außerdem - SPOILERWARNUNG! - kehren am Ende der Geschichte keine veränderten Helden in eine unverändete Heimat zurück. Das ist nicht der passende, sinnvolle Ausgang der Geschichte.

Dr. Who trifft Stein's Gate trifft Herr der Ringe funktioniert nicht mit einem Beat Sheet. Jedenfalls nicht, ohne mich dabei völlig wahnsinnig zu machen.

Und die Lösung?

Ich wünschte, die hätte ich. Im Moment tendiere ich dazu, alle Struktur zu ignorieren. Solange ich die größeren Löcher in der Geschichte irgendwann gestopft bekomme, sollte das wohl kein Problem sein.

Heißt das, ich werde mich generell von Struktur abwenden?

Nein. Aber ich muss bei sehr komplexen Geschichten zunehmend vorsichtiger werden, was mir warum wann helfen kann und was nicht. Flexibilität in der Herangehensweise erscheint mir wichtiger zu sein, als der verbreitete Glaube, ein Autor wäre Plotter oder Pantser. Maranaga soll zeigen, wie sehr der Prozess auch von der Idee abhängt, mit der man gerade arbeitet.

In diesem Sinne, auf frohes Schreiben!

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