Dies ist die Geschichte einer Familie, die in einem Restaurant zu Abend aß. Das Besondere an diesem Restaurant war, dass es in der Mitte des Gastraumes einen flachen Teich mit bunten Fischen gab.
“Mami! Mami! Schau dir all die Fische an!”, rief der kleine Sohn aufgeregt und deutete auf den Teich.
Die Fische sahen seine Geste und schwammen neugierig näher. Einige streckten ihre Köpfe aus dem Wasser, stülpten ihr Maul nach vorne und schnappten in die Luft.
Die Eltern des Jungen waren unterdessen näher gekommen und betrachteten ebenfalls die Fische. Der Vater lachte. “Die haben wohl auch Hunger, genau wie wir.”
“Mami, darf ich die Fische füttern?”, bettelte der Junge.
Die Mutter schüttelte den Kopf. Sie deutete auf ein kleines Schild neben dem Teich: “Dort steht, dass es verboten ist, die Fische anzufassen oder zu füttern. Und außerdem sind wir hier, um uns selbst zu füttern. Also komm!”
Der Junge war enttäuscht, aber er folgte seiner Mutter zu einem Tisch, ganz nahe am Teich. Während sie aßen, sah er immer wieder auf die großen bunten Fische, die dicht an den Rand des Teiches schwammen und in die Luft schnappten. Und wenn seine Eltern und die Kellner nicht hin sahen, hielt er den Fischen von seinem Essen vor die Mäuler.
Der größte Fisch, ein riesiger weißer Zierkarpfen, kam dann ganz dicht heran, nahm das Essen und nuckelte am Finger des Jungen. Doch die anderen Fische schwammen gierig auf- und übereinander und machten dabei so viel Lärm, dass die Eltern und die Kellner sie hörten.
“Lass die Fische in Ruhe!”, ermahnte der Vater den Sohn.
“Es hat einen Grund, dass man sie nicht füttern darf”, erklärte die Mutter: “Sie könnten davon krank werden.”
Der Junge zog die Hand aus dem Wasser.
“Geh deine Hände waschen, bevor du weiter isst!”, sagte die Mutter.
Der Junge ging brav zum Badezimmer und der weiße Karpfen folgte ihm, so weit es der Teich erlaubte. Er reckte den Kopf aus dem Wasser und sah sich um, bis der Junge wieder kam. Dann folgte er ihm zurück zu seinem Tisch.
Er verharrte fast senkrecht im Wasser, den Kopf halb in die Luft erhoben, und reckte schmatzend das Maul vor.
“Wunderbar”, klagte der Vater: “Jetzt bettelt uns schon ein Fisch an.”
Die Mutter zuckte mit den Schultern. “Ignoriert ihn. Dann hört er auch wieder auf.”
Doch der Karpfen starrte sie weiter mit seinen kleinen Augen an. Er beobachtete vor allem den Jungen, der ihm ebenfalls hin und wieder einen Blick zu warf; wartete geduldig auf den Moment, an dem niemand mehr auf den Jungen achtete.
Die Kellner kamen und räumten das Geschirr ab. Die Mutter stand auf.
“Ich gehe mir die Hände waschen. Schatz, kannst du an die Bar gehen und uns einen Cocktail bestellen?”
Der Mann nickte. Er lächelte den Sohn an: “Soll ich dir auch einen mitbringen? Oder lieber ein Eis?”
“Ja! Ein Eis!”, rief der Junge.
Die Eltern gingen jeder in verschiedene Richtungen. Der Sohn sah ihnen nach, bis er sicher war, dass sie ihn nicht mehr bemerkten.
Er drehte sich zum Teich um, wo noch immer der weiße Karpfen aus dem Wasser stierte.
“Tut mir leid, aber ich habe nichts mehr zu essen”, sagte der Junge zu dem Karpfen. Dabei hielt er die Hand ins Wasser.
Der Fisch tauchte unter und nuckelte an den Fingern. Nach und nach saugte er erst einen, dann zwei Finger in sein Maul.
Zuerst lachte der Junge darüber, doch dann wurde das Maul größer und breiter. Der Fisch sog die ganze Hand und den ganzen Arm ein.
Der Junge schrie. Nur kurz, bis sein Kopf unter Wasser sank.