20 Februar 2025

12 Bücher in 12 Monaten: Warum die erste Idee nicht die beste ist.

 Hallo meine lieben Mitgefangenen in der Welt der Buchstaben!

Bild von Pete Linforth auf Pixabay
Ich bin endlich auf der Zielgeraden für das Februarprojekt. Ich habe mich sehr auf die Geschichte gefreut. Harry Potter, aber für Dämonen, wäre vielleicht der richtige Pitch gewesen. Wie üblich habe ich eine Outline für die Geschichte erstellt (schon letzten Dezember) und einige Szenen recht deutlich vor Augen gehabt. Ich habe einen netten Cast an Figuren für alle wichtigen Rollen, einen Plot und das nötigste Worldbuilding.

Klingt nach einem einfachen ersten Entwurf, oder nicht? Einfach nur die Outline ausarbeiten, Szenenübergänge einfügren und - TADA - ich habe ein schönes Skelett.

Ja. Nein.

Nach dem überwältigenden Tempo, dass ich im
Januar-Projekt
an den Tag gelegt hatte, hatte ich eigentlich damit gerechnet, den ersten Entwurf für den Februar schon vor einer Woche fertig zu haben und mich in die erste Überarbeitung zu stürzen. Mir ist ja klar, dass der Plot der Outline nicht dem des fertigen Buches entsprechen wird. Meine Outline hat immer ein paar Ungenauigkeiten und Schlaglöcher.

Diesmal waren es jedoch keine Schlaglöcher. Dieser Plot hält nur deswegen zusammen, weil schwarze Löcher so viel Anziehungskraft haben, dass ihnen nichts mehr entkommen kann. Ehrlich. An dieser Geschichte ist die Idee das einzig gute - und die Idee funktioniert (noch) nicht.

Was tue ich also?

Nachdem ich Mitte des Monats einige Tage mit mir und dem Projekt gehadert habe (ich habe sogar den kompletten Anfang eines zweiten Projektes in der Zeit geschrieben, denn Stehenbleiben war keine Option), habe ich beschlossen, gegen alle Widrigkeiten den ersten Entwurf zu Ende zu bringen. Auch wenn ich weiß, dass ich höchstwahrscheinlich nichts davon behalten werden.

Warum?

Ganz einfach. Damit ich in einer späteren Fassung die schwarzen Löcher im Plot in einfache Schlaglöcher verwandeln kann, muss ich sie erst einmal finden. Und das kann ich nur, wenn ich sie sichtbar mache. Sicher hätte ich auch an der Outline arbeiten können, um Zeit zu sparen und mir wären dort einige Probleme aufgefallen. Vielleicht sogar alle. Aber jetzt habe ich sie konkreter vor mir und erkenne einmal mehr, dass ich nicht mit dem ersten Gedanken mitlaufen sollte, der mir zu einer Geschichte kommt.

Versteht mich nicht falsch, das kann gut gehen, wenn die Geschichte mich wirklich Tag und Nacht begleitet, wie es das Januar-Projekt getan hat. Aber das Februar-Projekt ist so holprig, dass ich selbst kein großes Interesse daran habe. Es sind einfach zu viele Löcher, zu viele Knoten, zu wenig Konsistenz. Aber immerhin kann ich die Probleme jetzt benennen. Und es sind immer dieselben. Ehrlich.

Welche?

Mein Hauptcharakter ist ein Idiot. Sie trifft keine einzige nachvollziehbare Entscheidung, wenn sie überhaupt etwas selbst entscheidet. Erstaunlicherweise ist die holprige Romanze mit dem Nachbarsjungen noch das, was am besten funktioniert. Und ich kann keine Romanzen.

Meine Nebencharaktere sind sinnlos. Und damit meine ich alle. Der Nachbarsjunge? Kaum vorhanden. Die Freunde? Nutzlos in jeder Hinsicht. Der Antagonist? Zu durchschaubar. Die anderen Nebenfiguren? Inkonsistenter als ein Pudding mit zu viel Milch.

Der Plot mäandert und ergibt wenig Sinn. Und das ist freundlich ausgedrückt. Hier bin ich noch unsicher, ob ich zu viel oder zu wenig will oder ob Thema und Setting einfach nicht richtig zusammenpassen. In der Outline hatte der Plot tatsächlich funktioniert, aber in der Umsetzung zeigt sich, dass ich mich wohl getäuscht habe. Der Konflikt ist langweilig und repetitiv, wenn er überhaupt vorhanden ist. Für die Szenen, auf die ich mich gefreut habe, ist eigentlich kein Platz. Und die Nebenhandlungen verteilen sich auf zu viele Figuren.

Wie geht es weiter?

Das Februar-Projekt wird jetzt erstmal zu Ende geschrieben mit dem, was ich habe. Ich notiere mir jeden Stolperer, jedes Loch, das ich finde. Und dann mus ich zurück zur Outline. Vielleicht die Geschichte aus der Sicht des Antagonisten planen. Überlegen, ob ich die Freundesgruppe verkleinern kann. Einige andere Nebenfiguren können dafür etwas mehr Raum haben.

Und ich muss Worldbuilding betreiben. Das, was ich getan habe, reicht nicht, um die Geschichte glaubwürdig zu machen. Nicht mal vor mir selbst. Das ist alles deutlich mehr Arbeit als im Januar-Projekt und führt dazu, dass ich Februar dieses Jahr vermutlich nicht fertig mache.

Aber einen Lichtblick hat das Ganze. Die Geschichte, die ich in der Pause vom Projekt angefangen habe, ist über 13k Wörter weit. Das ist ein solides Stück Anfang, das ich nicht mehr schreiben muss, wenn ich dahin komme. Und wenn ich bedenke, dass der Anfang mein größtes Hindernis ist, wird die Geschichte, wann immer ich sie umsetze, mir sicherlich einfacher fallen.

Andere Erkenntnisse?

Wenn ich an einer Geschichte arbeite, durch die ich mich durchquälen muss, um die Fehler zu finden, bekomme ich viel zu viele neue Ideen. Ausnahmsweise habe ich keine davon aufgeschrieben. Es sind so viele und zu Teil so vage Ideen, dass ich abwarten will, welche von selbst steckenbleibt.

In diesem Sinne frohes Schreiben!

03 Februar 2025

12 Bücher in 12 Monaten: Wie Musik Romanen helfen kann

Hallo meine lieben Mitgefangenen in der Welt der Buchstaben!

Foto von Expect Best von Pexels
Kennt ihr das eigentlich auch? Man liegt nichtsahnend im Bett, schaut sich ein YouTube-Video zum Einschlafen an und plötzlich trifft einen die Erkenntnis wie ein Schlag und hält vom Schlafen ab?

Das ist mir letzte Nacht passiert.

Der Hintergrund:

Mein Januar-Projekt lief hervorragend. Ich habe die Entwürfe eins bis drei in neunundzwanzig Tagen geschrieben und einen guten Plan für Entwurf Nummer vier zurechtgelegt. Die hoffentlich letzte Plotversion. Alles lief so schnell und so ungewohnt glatt - vor allem verglichen mit dem ersten Teil (Die Kobra von Kalkutta), der etliche Jahre gebraucht hat.

Ich habe mich bewusst entschlossen, zwischen Version 3 und 4 eine Pause zu machen, um ein wenig Abstand zu gewinnen. In dieser Pause wollte ich an einem Projekt arbeiten, dass sich in Genre, Zielgruppe und Ton möglichst weit von Montgomerys Ermittlungen entfernt, weswegen meine Wahl auf meinen Harry-Potter-Klon gefallen ist. Ein Jugendbuch in einer Schule für magische Wesen, das die Themen Tod, Familie und Verantwortung behandelt. (Jetzt, wo ich das so aufschreibe, gibt es vielleicht doch eine Überschneidung, aber egal.)

Das Problem ist nur: Eigentlich ist die Planung noch nicht weit genug gewesen, die Charakterarbeit, um genau zu sein. Das hat sich zum einen daran gezeigt, dass ich am Anfang unsäglich langsam vorangekommen bin (ich hasse Anfänge), aber noch mehr daran, dass nach den ersten drei Szenen aus Jakob Debora geworden ist, weil mir auffiel, dass ein Mädchen der bessere Protagonist ist. Ich habe schon früher Protagonisten gewechselt, aber ich habe bisher noch nie einen neuen Protagonisten eingebaut und die alte Figur restlos rausgenommen.

Was hat das mit YouTube zu tun?

Zum Einschlafen habe ich mir ein Video von Sideways angeschaut, einem Kanal, der sich mit Musikanalyse beschäftigt (und leider seit Jahren brachliegt). In dem Video ging es speziell um den Goofy-Movie und moderne Musicals mit all ihren Song-Typen und wie Musicals Disney-Filme beeinflusst haben. Speziell die Analyse des I-Want-Songs und des Villain-Songs haben mich zum Nachdenken gebracht.

Dabei ist mir dann - um Mitternacht, im Bett - aufgefallen, das ich vielleicht die ganze Zeit den Want (das Ziel) meines Charakters und dadurch den Villain (Gegenspieler, Antagonist - im Gegensatz zu Feind, Rivale, Bösewicht) falsch verstanden habe. Mein Kopf hat all die Disney-Renaissance-Filme durchgespielt und versucht, die Lieder auf diese beiden Konzepte zu mappen. Eigentlich ganz einfach, würde man meinen?

König der Löwen zum Beispiel:

"Ich will jetzt gleich König sein" - I-Want-Song des Protagonisten
Was will Simba? Erwachsen werden.

"Seid bereit" - Villain-Song des Antagonisten
Was will Scar? Die Macht an sich reißen.

Die beiden Wünsche stehen in direktem Gegensatz, denn beide Figuren wollen - im Endeffekt - König werden. Und sind sehr deutlich darin.

Arielle:

"In deiner Welt" - I-Want-Song
Arielle will die Oberwelt kennenlernen.

"Arme Seelen in Not" - Villain-Song
Ursula will ... Moment. Dieser Song drückt kein Ziel des Antagonisten aus, sondern stellt den Charakter einer Figur vor. "Arme Seelen in Not" ist Selbstdarstellung, nicht Ziel. "Arme Seelen in Not" ist nicht der Villain-Song, sondern das, was John Kerrick als "I-Am-Song" bezeichnet.
Bedeutet das, dass nicht Ursula der Antagonist ist? Und wenn nicht sie, wer dann?

Okay, vielleicht nehmen wir ein anderes Beispiel. Arielle ist der erste Film, der nach diesem Muster geschrieben wurde. Vielleicht sind deswegen bestimmte Dinge noch nicht deutlich.

Die Schöne und das Biest:

"Belle" - I-Want-Song
Belle will aus dem kleinstädtischen Leben fliehen.

"Gaston" - Villain ...
Moment, nein. Auch "Gaston" ist nur die Vorstellung, nicht sein Ziel. Der tatsächliche Villain-Song ist der "Mob-Song", als Gaston das Dorf zum Angriff auf das Schloss zusammenruft. Hier wird sein Ziel erst klar - er will der Held des Dorfes sein und Belle (und alle anderen) mit Gewalt an sich binden.

Noch ein Beispiel, bevor ich zu meiner Erkenntnis komme:

Mulan:

"Reflection" - I-Want-Song
Mulan will zu sich selbst finden und sich nicht einer Rolle beugen, in der sie sich nicht wohl fühlt.

... ... ...
Die Hunnen haben kein Lied. Die Hunnen nicht, aber Shang.

"Sei ein Mann" - Villain-Song (!)
Shang will aus den sehr unterschiedlichen Burschen im Lager "echte Männer" machen.

Ja, das bedeutet, dass nicht die Hunnen die Antagonisten in Mulan sind, sondern Shang. Wenn man darüber nachdenkt, ergibt es Sinn. Shang verkörpert die rigide Gesellschaft, gegen die Mulan ankämpft (und einen alternativen Weg als Kind, das seine Eltern stolz machen will). Er ist die Gesellschaft, die Mulan am Ende ändert. Die Hunnen dagegen sind eine Naturgewalt, ein Hindernis, ein Mac-Guffin in gewisser Weise. Sie sind nötig, um die Geschichte ins Rollen zu bringen und dienen an wichtigen Stellen als Boost. Aber die Hunnen sind nicht Mulans Gegenspieler, zu keinem Zeitpunkt.

Die Erkenntnis:

Diese viel zu lange Überlegung zu Song-Typen in Disney-Filmen hat mich dazu gebracht, noch einmal über die Wants und Gegenspieler meiner aktuellen Geschichte nachzudenken. Dabei ist mir aufgefallen, wie sehr meine Hauptfigur eigentlich ihr eigener Antagonist ist. Sicher habe ich auch einen Bösewicht, aber er ist mehr wie die Hunnen in Mulan - ein Katalysator, nicht das eigentliche Problem.

Aus dieser Überlegung heraus habe ich jetzt in meinen Charakterbögen den recht abstrakten Punkt "Want" geändert zu:

[Protagonist] will [Ziel], aber [etwas steht dem im Weg].

Die Änderung ist klein, aber mir hilft sie, von dem Bösewicht des Plots zum eigentlichen Antagonisten der Figur zu kommen. Montgomery wird das als klassischen Krimi-Ermittler eher weniger berühren, aber für die Fantasy-Ideen ist es Gold wert. Es hat mir gestern Nacht einen neuen Blick auf den alten Feig ermöglicht, was seiner Geschichte auch nur zu Gute kommen kann.


Ich werde Musical-Struktur ab jetzt fest in meine Planung mit einbauen. Mir hilft es, in Musik zu denken und tatsächlich sind Lieder ja auch nichts anderes als Gedichte und Gedichte sind nichts anderes als eine Szene oder Sequenz in Versmaß. Ich werde ab jetzt einen "I-Want" und einen "Villain" "Song" einbauen. Als eine Szene für mehr Klarheit - für mich und die Leser.

Wenn es später zu deutlich ist, kann man es ja in einer Überarbeitung immernoch wieder rausnehmen.

In diesem Sinne frohes Schreiben!