09 Juni 2016

Eine Lehre vom eigenen Schaffen

Aloha

Ich habe beim Aufräumen eine ganze Menge wirklich alter Manuskripte wiedergefunden. Einige davon stammen noch aus meiner Grundschulzeit, der Schrift nach zu urteilen aus der zweiten oder dritten Klasse. Um meine eigene Entwicklung zu verstehen, die Ideen zu bewahren und vor allem meine geistigen Ergüsse vor dem Tod durch Ausbleichen zu retten, habe ich jetzt angefangen, alles abzutippen.

Ich habe selten so gelacht.


Ein Text handelt von einem Meerschweinchen, dass auf einem Boot eine Weltreise quer durch die Zeit macht. Vielleicht kann man die Grundidee irgendwann gebrauchen, vielleicht auch nicht. Was jedenfalls gar nichts taugt, ist die Geschichte in der Form, wie ich sie damals geschrieben habe.
Trotzdem war ich natürlich davon überzeugt, dass sie gut und spannend ist. Vor allem »spannend« ist ein sehr treffender Ausdruck. Nicht. Macht euch selbst ein Bild, das ist eine originale Szene, ich habe beim Tippen lediglich Rechtschreib- und Kommafehler ausgebessert.

»Glücklicherweise überlebten alle diesen Fluchtversuch. Als Rocky und Lucky auf dem Weg zur Dino waren, schrie auf einmal Lucky: »Vorsicht, Rocky!« In diesem Augenblick erschien nämlich ein hungriger Carnotaurus vor Rocky und Lucky. Riko und König wollten umdrehen und zurückgaloppieren, doch hinter ihnen stand der Tyrannosaurus Rex.
Gibt es einen Ausweg? Oder werden Rocky und Lucky von hungrigen Raubsauriern gefressen? Wer’s wissen will, liest weiter!«

 Zerpflücke den eigenen Text


Vor allem dieser Einwurf des Erzählers ist göttlich. Ich habe mich sehr amüsiert. Auch mein erstes Romanskript findet auf diesem Weg allmählich einen Weg in die digitale Welt. Die Geschichte, die schon damals weit mehr war, als eine Fanfiction zu Jurie Hornemans Lionheart, war allerdings nur bedingt besser als »Abenteuer mit Rocky«.
Eines meiner Lieblingswörter als Kind war das überflüssige Wörtchen »plötzlich«. Wann immer ich nicht wusste, was ich machen sollte, passierte irgendetwas »plötzlich«, es kam also ein Deus ex Machina. Nicht nur bei Rocky, auch bei Valdyn. Und wie bei Rocky habe ich damals bei Valdyn mit eben jenem Deus ex Machina, aber auch mit meiner Tendenz, möglichst wenig Wörter zu verwenden, jegliche Spannung im Keim erstickt.

Worauf ich hinaus will, ist Folgendes:


Wir alle sind am Anfang unseres Tuns davon überzeugt, das größte, beste und schönste Buch der Welt geschrieben zu haben. Viele veröffentlichen dann, über einen Druckkostenzuschussverlag im schlimmsten Fall, und wundern sich, dass niemand ihr Buch lesen will. Und mit ein paar Jahren (oder auch Jahrzehnten) Abstand fallen einem plötzlich selbst all die Fehler im Spannungsbogen, der Komposition der Szenen oder der Wortwahl auf. Deswegen ist überarbeiten wichtig. Selbst in überarbeiteten Skripten finde ich noch Fehler jeglicher Natur. Da können zwanzig Augen drauf geschaut haben, trotzdem fehlen logische Schlüsse oder einfache Buchstaben.
Sicherlich kann man sich auch zu Tode überarbeiten, aber gerade ungeplottete Geschichten, wie meine Frühwerke, erfordern sehr viel Aufmerksamkeit, auch hinsichtlich des Handwerklichen. Arbeit, die vor einem Lektorat geleistet werden sollte, wenn man sich nicht dumm und dämlich zahlen will. Man muss die eigenen Werke immer kritisch betrachten, auch wenn es schwerfällt.
Manchmal braucht man dann auch einen sehr großen Abstand, wie ich von meinen Schulgeschichten. Was bleibt, ist der Kern der Idee. Warum sollte auch ein Meerschweinchen nicht auf einem Schiff durch die Zeit reisen?
Davon abgesehen kann man von solchen Dingen viel über sich selbst und seine Entwicklung als Schreiberling lernen, was letzten Endes allen späteren Werken zu Gute kommt. Aber auch dem Werk, welches man nach all der Zeit überarbeitet oder vielleicht besser komplett neu schreibt.

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